Corona, Dankbarkeit und der Job

Es ist Corona. Die Wirtschaft ist in einer Krise. Viele Menschen haben ihren Job verloren, noch mehr sind in Kurzarbeit. Eine große deutsche Airline kündigt betriebsbedingten Stellenabbau an, kam gerade erst.

Ich bin weder gekündigt, noch musste ich Kurzarbeit. Im Gegenteil, vorübergehend musste ich meinen Stellenanteil sogar noch mal hochfahren.

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Systemrelevant, hieß es plötzlich. Ich? Ich bin auf einmal systemrelevant? Mit meinen 100% GdB auf dem Ausweis und den diversen Zusatzstempeln?

Menschen mit Behinderungen sind in Deutschland deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit erfasst die Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen. Diese lag 2018 bei 11,2 Prozent, die vergleichbare allgemeine Arbeitslosenquote betrug 6,5 Prozent.“ schreibt der DGB * .

Das deckt sich mit meinen Beobachtungen, die ich im Netz und Reallife so mache. Menschen mit Behinderung haben es schwerer, einen Job zu finden. Das hilft das AGG nichts, da hilft es nichts, dass die Bundesregierung die Menschenrechtskonventionen der UN unterzeichnet hat und sich damit verpflichtete, dass Menschen mit Behinderung gleichberechtigt in der Gesellschaft leben können.

Irgendwo hackt es. Die Gründe sind vielfältig und komplex.

Vor über 10 Jahren habe ich mich mal arbeitslos gemeldet. Es ging darum, einen bestimmten Zeitraum zu überbrücken.

Mir wurde eine spezielle Maßnahme für Menschen mit Behinderung angeboten, die ich gerne angenommen habe. Schon allein aus Neugier. Was passiert da? Wie läuft das ab? Wäre es vielleicht auch für mich eine Möglichkeit, mich bei einem Träger solcher Maßnahmen zu bewerben?

Mir ist klar, das ist jetzt eine einzelne , subjektive Wahrnehmung, die dazu noch über 10 Jahre her ist. Aber pardon, kurz und knapp: Die Maßnahme war Schrott und endete damit, dass ich den Referenten erklärt habe, wie man den Drucker einrichtet, dass openoffice eine gute Alternative zu Microsoft ist und dass man mit Adobe alle Dokumente einer Bewerbung in eine Datei integrieren kann.

Letztlich haben sie mich dann an eine

Coffeshopkette als Barista vermittelt, die sich auf die Fahne schrieb im Besonderen Menschen mit Behinderung einzustellen.

Es war eine Erfahrung. Nicht die beste Erfahrung, aber eine Erfahrung. Seither kaufe ich in Coffeeshopketten maximal Kaffee, niemals mehr etwas zum Essen.

Zuvor und danach habe ich immer gearbeitet. Jetzt würde ich gerne schreiben: „Und nie Probleme gehabt, einen Job zu finden.“ Stimmt nicht ganz, aber das ist eine andere Geschichte.

Corona also. Ich bin wirklich froh und dankbar, meinen Job zu haben und ihn vermutlich auch in dieser Krise behalten zu können. Und das, obwohl ich behindert bin.

But damn, in mir regt sich der Rebell, das Aufbegehren, eine ganz andere, nicht dankbare Stimme:

Geschenk von einem Kollegen

Ich leiste etwas. Ich bin verlässlich und loyal. Ich mache Überstunden, wenn nötig. Ich kann meinen Job. Ich bin engagiert und denke mit. Ich springe für kranke KollegInnen ein. Während der ganz akuten Lockdown Phase habe ich überall mitgearbeitet und bis heute bin ich nicht an meinem eigentlichen Arbeitsplatz, sondern arbeite da, wo es am Nötigsten ist.

Das hat alles nichts mit meiner Behinderung zu tun, sondern mit meiner Arbeitshaltung und dass ich in meinem Bereich gut bin.

Woher kommt diese latente Suggestion, ich müsse dankbar sein, überhaupt einen Job zu haben? Unabhängig von Corona.

Weil ich damit zu einer Minderheit innerhalb der Minderheit gehöre?

EDIT: An meinem jetzigen Arbeitsplatz hatte ich niemals Schwierigkeiten, negative Andeutungen oder gar Mobbing auf Grund meiner Behinderung. Das Vorstellungsgespräch und Einstellungsverfahren verliefen überkorrekt. Aber das ist mehr die Ausnahme, als die Regel.

EDIT 2: Sollten das KollegInnen oder ChefInnen lesen und ich bin gar nicht so guit, wie ich meine, sagt es mir ;).

* https://www.dgb.de/themen/++co++2f7b94c4-0bdc-11ea-913d-52540088cada

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